My life in books

  • Fabrizio Gatti, "Bilal. Als Illegaler auf dem Weg nach Europa
  • Michael Gerard Bauer, Ismael und der Auftritt der Seekühe

Donnerstag, 7. August 2008

Warum ich lesen wichtig finde

Lesen kann Spaß machen, vertreibt die Zeit, ist wichtig für gute Noten, verbessert die Allgemeinbildung, kostet nicht viel, kann man überall machen, liefert Gesprächsstoff, lenkt ab, hilft beim Einschlafen, ist Reisen ohne Flughafenstress....

....vor allem aber: Jedes Buch ist eine Welt für sich, die es zu deuten gilt. Ohne diese Deutungsarbeit, die zu einem großen Teil automatisch abläuft, wäre Lesen sinnlos - genau wie das Leben. Lesen trainiert die Bedeutungsgebungssynapsen - wer Geschichten Sinn geben kann, trennt auch im eigenen Leben leichter Wichtiges vom Unwichtigen.

Larissa Boehning, Lichte Stoffe

Sommerzeit ist Lesezeit!
'Lichte Stoffe' ist ein Erstlingswerk - und die Vorlagen, die die Autorin benutzt hat, die Vorgaben, die sie sich gemacht hat, die Techniken, die sie probiert hat, scheinen noch gut durch. Davon kann man viel lernen.
Zum Beispiel: Beschreibungen

"Er zählte seine Schritte. Er passierte Menschen, die aussahen, als trotteten sie durch die Welt, ohne sich je über etwas, das ihnen begegnete, zu wundern. Er begegnete atemlosen Joggern. Paaren mit Hund. Müttern mit Kindern. Eine Frau schob einen olivgrünen Kinderwagen, der ein Regendach mit Camouflagemuster hatte. Sie schob den Wagen mit wütender Entschlossenheit, als sei sie auf der Flucht durch ein Kriegsgebiet. Er traf Schulkinder, die in Gruppen gingen. Ihre Schritte waren kurz in den gestauchten Beutelhosen, ihre Taschen und Rucksäcke hingen ihnen wie unzumutbar schweres Gepäck am Rücken, die Reißverschlüsse ihrer Jacken halb geöffnet, die Hände versteckt in den Ärmeln, als hätten sie Angst davor mit irgend jemanden in Berührung zu kommen. Die Jungs hatten ihre Schirmmützen tief in die Stirn gezogen. Bernhard konnte ihre Gesichter nicht sehen. Manchmal spuckten sie blitzschnell neben sich auf den Weg. Darin ähnelten sie Hunden, die im Vorbeitraben ihre Markierungen setzten." (S. 63)

1. Details sind unersetzlich: Ohne die Frau mit dem Camouflage-Kinderwagenregendach (wobei Camouflage in der Beschreibungschon auf den Vergleich mit dem Kriegsgebiet vorbereitetet, das ist elegant und gut gemacht)und die spuckenden Jungens wäre diese Passage langweilig.
2. Eine Beschreibung sagt sehr viel über den Betrachter. In diesem Fall Bernhard, der ganz 'Death of a Salesman' like, den Verlust seines Arbeitsplatzes seiner Frau verschweigt.